Allenorts sind die Feuerwehren bereits im Dauereinsatz, um Keller leerzupumpen und öffentliche Infrastruktur zu sichern. Doch es kommt noch schlimmer: an der Bundesautobahn 4 bei Eisenach rutscht wegen des aufgeweichten Bodens ein Hang ab. Die Schutt- und Geröllmassen erstrecken sich über die Autobahn und die angrenzende ICE-Strecke Dresden – Frankfurt. Zahlreiche Fahrzeuge werden verschüttet. Ein ICE kann noch rechtzeitig die Notbremsung einleiten, die Schadensstelle jedoch aufgrund eines großflächigen Stromausfalls nicht verlassen – hunderte Menschen sitzen fest.
Kein unrealistisches Szenario, aber zum Glück nur eine Übung, der sich rund 30 Einsatzkräfte des THW-Landesverbandes Sachsen, Thüringen am vergangenen Wochenende im westthüringischen Treffurt widmeten. Normalerweise werden bei solchen Szenarien schnell Helferinnen und Helfer im dreistelligen Bereich und mit schwerer Technik mobilisiert und in Richtung Schadensstelle verlegt. Die Besonderheit in diesem Fall: keine Feuerwehr, keine Polizei, keine Bergungsgruppe und auch keine Fachgruppe Räumen oder ähnliches war vor Ort. Auch der Verkehr auf der A4 und der ICE-Strecke lief reibungslos. Denn im Rahmen dieser Einsatzübung ging es um die Einsatzkoordinierung, dem Dreh- und Angelpunkt eines jeden erfolgreichen Einsatzes.
Bei Großschadenslagen mit hunderten Kräften ist eine effiziente Koordinierung zentraler Bestandteil. Welche Kompetenzen sind gefragt? Welche Einheiten werden an welcher Stelle benötigt? Wer muss abgelöst werden und in Ruhe gehen? Wo können die Helferinnen und Helfer schlafen? Wo kommt die Verpflegung her? Wo können ggf. weitere Bagger und Radlader aus der freien Wirtschaft organisiert werden? Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die sich bei der Bewältigung der Schadenslage stellen. Für diese logistische Herausforderungen gibt es beim THW die Fachgruppen Führung und Kommunikation.
Im Zuge der Stabsrahmenübung wurde durch die Kräfte der Ortsverbände Leipzig, Chemnitz und Dresden das komplette Einsatzszenario mit zwei Einsatzabschnitten durchgespielt. Eine Führungsstelle beschäftigte sich mit der Organisation der anrückenden und in Bereitschaft befindlichen Einheiten, also dem sogenannten Bereitstellungsraum. Die zweite Führungsstelle koordinierte das operative Geschäft und steuerte die Rettung von Verschütteten, die Evakuierung des ICE sowie die Beräumung von Autobahn und ICE-Strecke. Dabei widmeten sich die Führungs- und Kommunikationsexperten der Koordination und Kooperation zwischen den eigenen THW-Einheiten sowie anderen Kräften des Bevölkerungsschutzes und Partnern aus der freien Wirtschaft.
Die teilnehmenden Fachgruppen Führung und Kommunikation richteten dafür zwei THW-Führungsstellen ein und betrieben diese. Hierzu setzt das THW auf ein mobiles System aus einem LKW, der die Kommunikationszentrale der Führungsstelle beherbergt, und einem Anhänger, der durch Ausklappen der Seitenteile in ein großes Zelt, dem Stabsraum, verwandelt werden kann. So wird genügend Platz bereitgestellt, um auch über längere Zeit die Bewältigung einer Großschadenslage zu koordinieren. Gleichzeitig ist das Führungspersonal ausreichend gegen Witterung und äußeren Umwelteinflüsse geschützt.
Die Stabsrahmenübung in diesen Führungsstellen ist dann ähnlich einem Spiel organisiert. Jedoch werden nicht realitätsferne Strategien entwickelt, sondern das Führungspersonal erhält entsprechende Instruktionen von außen. Diese Rolle übernimmt die Übungsleitung. Gebildet wird sie durch einsatzerfahrene Kräfte des THW und übernimmt die Einspielungen durch die übergeordnete technische Einsatzleitung, aber auch durch die zahlreichen untergeordneten Einheiten. Diese haben auch in realen Einsätzen fortlaufend neue Anforderungen, seien es zusätzlich benötigte Kräfte, ausgehende Verbrauchsgüter oder verletzte Einsatzkräfte, bzw. teilen Lageänderungen mit oder erbitten einen neuen Einsatzauftrag. Diese Informationen erreichen die Führungsstellen in der Regel über Telefon, Fax, eMail oder eben Digitalfunk. Zuständig für die Annahme ist die Fernmeldezentrale mit seinen Sprechfunkern, dem Tor für ein- oder ausgehende Informationen. Anschließend müssen die Sachgebietsleiter im Stabsraum diese Informationen aufnehmen, in einen Gesamtkontext bringen und einsatztaktische Entscheidungen ableiten und kommunizieren. Alle wichtigen Informationen werden dabei in Meldeblöcken und auf Magnetwänden erfasst und laufend aktuell gehalten. Dort finden sich in aller Regel auch Übersichtsaufnahmen von den Schadensstellen. Der Vorteil dieser analogen Arbeitweise: auch bei einem Strom- oder IT-Ausfall bleiben so die Führungsexperten arbeitsfähig und ein reibungsloser Ablauf kann gewährleistet werden.
Dieser Führungsprozess erfordert ein besonnenes und ruhiges Handeln, analytisches Denken, eine enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Personen und einen guten Umgang mit stressigen Situationen. Genau diese Fähigkeiten sollen im Rahmen von Stabsrahmenübungen gefördert werden. Zudem soll Routine erzeugt werden, die den Helferinnen und Helfern mehr Sicherheit mit diesen Lagen geben soll. Dafür führt der THW-Landesverband Sachsen, Thüringen eine solche Großübung bis zu einmal jährlich durch.
Unterstützt wurde die Übung durch die Fachgruppe Logistik des Ortsverbandes Kamenz. Diese vier Einsatzkräfte kümmerten sich ausschließlich um die Verpflegung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.